Was bedeutet Mehrsprachigkeit?
Unter Mehrsprachigkeit versteht man die Fähigkeit einer Person, sich in mehreren Sprachen zu verständigen. Der Terminus Polyglossie (aus dem Griechischen abgeleitet = Vielsprachigkeit) wird selten benutzt, während man das Adjektiv polyglott ab und an lesen kann. Das aus dem Lateinischen abgeleitete Pendant zu Polyglossie sind die Fremdwörter Multi- oder Plurilingualismus, die aber durchaus schon mal im allgemeinen Sprachgebrauch anzutreffen sind. Die wörtliche Bedeutung ist dieselbe.
Während sich Polyglossie meist auf den einzelnen Menschen bezieht, sind die Komposita mit -linguismus weder im allgemeinen Sprachgebrauch noch in der Linguistik auf den Menschen festgelegt sind. Hierbei kann es sich um die Mehrsprachigkeit einer Person oder einer Sprachgemeinschaft handeln. Für Zweisprachigkeit gibt es dementsprechend die Termini Bilingualismus (lt., meist für einen Menschen) und Diglossie (gr., meist für Regionen).
Einen mehrsprachigen Menschen bezeichnet man demnach als multilingual oder seltener als polyglott.
Man unterscheidet drei Formen der Mehrsprachigkeit:
1. die individuelle Mehrsprachigkeit,
d.h. die Fähigkeit eines Menschen in mehreren Sprachen zu kommunizieren und zwischen den Sprachen zu wechseln. Das bezeichnet man auch als code-switching. Doch wie gut muss man zwei oder mehr Sprachen beherrschen, um als zwei- oder mehrsprachig zu gelten? In der Wissenschaft gibt es dazu zwei Definitionen:
a) Die minimalistische Definition besagt, dass jeder mehrsprachig ist, der sich im Alltag in verschiedenen Sprachen verständigen kann, auch wenn er nicht jede Sprache perfekt beherrscht.
b) Die maximalistische Definition betrachtet nur denjenigen als mehrsprachig, der jede weitere Sprache so perfekt wie die Muttersprache beherrscht. Nach der maximalistischen Definition gilt nur der als mehr- oder zweisprachig, der als Kind mit zwei Sprachen aufgewachsen ist (auch: perfekter oder wahrer Bilingualismus). Der Unterschied zwischen Bilingualismus und Multilingualismus bezieht sich nur auf die Anzahl der Sprachen. Heute spricht man jedoch meist von Mehrsprachigkeit, auch wenn es sich nur um Zweisprachigkeit handelt.
Den Unterschied im Grad der Beherrschung der einzelnen Sprachen nennt man auch symmetrische Mehrsprachigkeit (die Sprachen werden gleich gut beherrscht) und asymmetrische Mehrsprachigkeit (die Sprachen werden nicht gleich gut beherrscht).
Früher wurde Mehr- bzw. Zweisprachigkeit besonders bei Kindern nicht gern gesehen, da man dachte, zweisprachig aufwachsende Kinder würden später in der Schule Probleme haben. Diese Sichtweise hat sich inzwischen geändert und heute sieht man eine Mehrsprachigkeit im Kindesalter sogar als wünschenswert an.
Von der EU wird Mehrsprachigkeit sogar ausdrücklich gewünscht, da die individuelle Mehrsprachigkeit Vorteile für die Gesellschaft hat und als wichtiges Element der Wettbewerbsfähigkeit Europas gilt. Zu den Zielen der EU-Sprachenpolitik gehört deshalb, dass jeder europäische Bürger zusätzlich zu seiner Muttersprache zwei weitere Sprachen beherrschen sollte. https://www.europarl.europa.eu/factsheets/de/sheet/142/sprachenpolitik
Die (individuelle) Mehrsprachigkeit hat aber auch für den Einzelnen neben positiven kognitiven Auswirkungen viele Vorteile. Dazu zitiert die Kommission der EU das slowakische Sprichwort: „Je mehr Sprachen du sprichst, desto mehr bist du Mensch.“
Zu den Gründen für das Entstehen einer individuellen Mehrsprachigkeit gehören z.B. eine höhere schulische und berufliche Bildung, Reisen, Leben und Arbeiten in anderen Sprachgebieten und Partnerschaft mit einem Anderssprachigen.
Wie gut jemand seine Sprachen beherrscht oder ob er/sie fließend spricht, hängt von vielen Faktoren ab, wie z.B. allgemeiner Intelligenz, Motivation und sozialen Umständen. Im Allgemeinen hält man auch Alter und Sprachbegabung für kritische Faktoren beim Erlernen von Fremdsprachen im Erwachsenenalter. Der Faktor Alter spielt m.E. jedoch nur eine Rolle, wenn die Person lernungeübt und/oder wenig motiviert ist. Die Existenz oder das Fehlen einer s.g. Sprachbegabung ist umstritten und lässt sich m.E. mit den Faktoren allgemeine Intelligenz, Motivation und soziales Umfeld (lernfremde Familie, nach der Schule keine weitere Lernerfahrung im Erwachsenenalter) erklären.
2. die gesellschaftliche Mehrsprachigkeit,
worunter man die Verwendung mehrerer Sprachen in einem Staat oder einer Region versteht, z.B. in Belgien oder der Schweiz oder den Grenzgebieten von Staaten. Diese Form der Mehrsprachigkeit ist nicht vom Individuum gewählt, sondern ergibt sich durch historische Entwicklungen wie Kolonialisierung oder Krieg. So gilt z.B. im Senegal Französisch als offizielle Sprache, Wolof als Hauptstammessprache neben zahlreichen weiteren Sprachen. Im heutigen Polen z.B. wird vielerorts Deutsch und Polnisch (offiziell) gesprochen bzw. verstanden.
Ein weiterer Grund für gesellschaftliche Mehrsprachigkeit ist Migration in großem Rahmen, z.B. wird Deutsch und Türkisch in Köln oder Berlin gesprochen, also Städten mit hohem Migrationsanteil. Hier gehört Mehrsprachigkeit zum Alltag. Die Menschen lernen und sprechen mehrere Sprachen in der Familie, im Kindergarten und in der Schule, im Studium und im Berufsleben. Es gibt jedoch auch europäische Staaten mit sprachlichen Minderheiten, wie etwa die Basken und Katalonen in Spanien und Frankreich.
Man findet auch Zweisprachigkeit mit einer klaren funktionalen Differenzierung zwischen zwei sozial unterschiedlich gewerteten Sprachen. Von Diglossie spricht man in mehrsprachigen Staaten mit Territorialprinzip. Das sind Staaten mit mehreren offiziellen Sprachen, die aber nicht im ganzen Land, sondern nur in bestimmten Teilen oder Territorien des Landes gesprochen werden. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Schweiz mit insgesamt drei Amtssprachen, wobei die meisten Kantone aber einsprachig sind und jeweils nur Französisch, Deutsch oder Italienisch als Amtssprache gilt. Hier sind auch meist nicht alle Einwohner mehrsprachig.
Von Diglossie spricht man auch in Staaten mit individueller Mehrsprachigkeit, d.h. Staaten, in denen ein großer Teil der Bevölkerung mehrsprachig ist. Hier beherrschen einzelne Menschen mehrere Sprachen und setzen sie je nach Bedarf ein. Das trifft auf die meisten afrikanischen Staaten zu, denn hier sprechen viele Menschen eine oder mehrere einheimische Sprachen und zusätzlich eine Amtssprache, was meist die Sprache der ehemaligen Kolonialmacht ist (z.B. Englisch in Kenia, Französisch im Senegal). Des weiteren gibt es einsprachige Staaten, die offiziell nur eine Amtssprache haben, es aber auf dem Staatsgebiet kleinere Regionen mit anderssprachigen Minderheiten gibt, z.B. die deutschsprachige Minderheit in Südtirol, die Bretonen in Frankreich oder die Katalanen in Spanien. Diese sprachlichen Minderheiten, die schon längere Zeit in ihren Region leben, werden auch als autochthone Minderheiten (= ursprüngliche Bewohner) bezeichnet. Im Gegensatz dazu gibt es Staaten mit allochthonen Minderheiten (= Siedler und Einwanderer), die noch nicht sehr lange im Land leben, sondern durch Immigration Teil der Bevölkerung geworden und meist im ganzen Land verteilt sind. Dazu zählen in Deutschland vor allem italienische und türkische Migranten (früher als „Gastarbeiter“ bezeichnet) und ihre Nachfahren, aber auch im Ausland arbeitende Firmenangehörige sowie Diplomaten und Akademiker, die im Ausland leben und arbeiten.
Auch in Deutschland gibt es autochthone Minderheitensprachen, und zwar Dänisch und Nordfriesisch in Schleswig-Holstein, Saterfriesisch in Niedersachsen, Sorbisch in Brandenburg und Sachsen sowie Romanes (die Sprache der Sinti und Roma) im gesamten Bundesgebiet. Diese Minderheitensprachen werden durch die ECRM, die Europäische Charta für Regional- und Minderheitensprachen (engl. European Charter for Regional or Minority Languages) als kulturelles Erbe Europas anerkannt, geschützt und gefördert.
Während die Sprachwissenschaft streng zwischen individueller und gesellschaftlicher Mehrsprachigkeit unterscheidet, kann im Alltag nicht immer so scharf getrennt werden.
3. die institutionelle Mehrsprachigkeit,
d.h. den Gebrauch mehrerer Sprachen in öffentlichen Institutionen und Organisationen wie Verwaltung, Rechts-, Gesundheits- und Schulwesen. Zu den Institutionen gehört natürlich vor allem die Europäische Union. Auch wenn nach wie vor in vielen europäischen Staaten der einsprachige Schulunterricht trotz mehrsprachiger Schülerschaft vorherrscht, gibt es doch immer häufiger mehrsprachige Unterrichtsformen und viele bilinguale Schulen, z.B. in Deutschland.
Oft sind gesellschaftliche und institutionelle Mehrsprachigkeit mit einer individuellen Mehrsprachigkeit verknüpft, so dass Mischformen an der Tagesordnung sind.
In meinen Mehrsprachenkursen möchte ich den Teilnehmern ermöglichen, effektiv und schnell die gewünschte individuelle Mehrsprachigkeit zu erlangen. Das gleichzeitige Erlernen mehrerer verwandter Sprachen (hier. Französisch, Italienisch und Portugiesisch), also in einem Kurs statt in mehreren Einzelkursen, bringt durch kontrastives Lernen eine Zeitersparnis und somit ein schnelles Erfolgserlebnis.