Die Herkunft des Begriffs „Kanzler“
Das Wort „Kanzler“ stammt etymologisch aus dem Lateinischen und geht auf den
Begriff „cancellarius“ zurück, womit man ursprünglich einen Beamten oder Schreiber bezeichnete, der im Gerichtswesen nahe der „cancelli“ (Gitter oder Schranken, die den Richter vom Publikum trennten) arbeitete. Das Wort leitet sich also von „cancelli“ (Gitter, Gitterwerk) ab, das selbst auf „cancellus“ (Gitterstab) zurückgeht. Im Mittelalter wurde der Begriff als „kanzellari“ oder „kanzellāri“ ins Althochdeutsche entlehnt, vermutlich durch kirchliche oder administrative Kontakte zum Lateinischen. Die Rolle des „cancellarius“ war im frühen Mittelalter oft mit der Verwaltung von Urkunden oder der Leitung einer Kanzlei verbunden.
Im Laufe der Zeit wandelte sich die Aussprache und aus dem lateinischen „cancellarius“ wurde durch Vereinfachung (z. B. Verlust des zweiten „l“) und Anpassung an die deutsche Phonetik „Kanzler“. Das „c“ im Lateinischen wurde im Deutschen zum „k“, und die Endung „-arius“ wurde zu „-er“ (typisch für Berufsbezeichnungen im Deutschen, auch wenn das genderaffinen Menschen nicht gefällt).
Auch semantisch hat sich der Begriff, der sich ursprünglich auf einen Verwaltungsbeamten oder Schreiber bezog, weiterentwickelt. Im Heiligen Römischen Reich war der „Reichskanzler“ eine zentrale Figur der königlichen/kaiserlichen Verwaltung. Heute bezeichnet „Kanzler“ in Deutschland vor allem den Bundeskanzler (Regierungschef) oder den Kanzler einer Universität.
Auch in anderen Sprachen (Englisch chancellor, Französisch chancelier, Italienisch cancelliere und Portugiesisch chanceler) leiten sich die Formen ebenfalls vom lateinischen „cancellarius“ ab, zeigen aber sprachspezifische Anpassungen.
In einigen Ländern, wie z.B. im Vereinigten Königreich, bezieht sich „Chancellor“ oft auf den Finanzminister (Chancellor of the Exchequer). In Universitäten ist ein „Chancellor“ der Vorsitzende der Institution, jedoch nicht unbedingt der operative Leiter.
Im Französischen kann sich „Chancelier“ auf den Regierungschef in bestimmten historischen Kontexten beziehen, wird jedoch heutzutage nicht verwendet. Meist wird der Begriff für den Leiter einer Institution oder Universität verwendet, ähnlich wie im Englischen. Der Regierungschef in Frankreich ist der premier ministre (Premierminister).
Im Italienischen bezieht sich „Cancelliere“ in der Regel auf eine administrative Rolle, wie z.B. den Sekretär eines Gerichts oder einer Institution. Im politischen Kontext ist der Regierungschef der Presidente del Consiglio dei Ministri, also der Präsident des Ministerrats und somit Regierungschef. Im Deutschen wird auch er oder sie meist kurz als Ministerpräsident bezeichnet. Eine alternative wortwörtliche Entsprechung des offiziellen Titels wäre Ministerratspräsident.
In Portugal wird der Begriff ebenfalls nicht im politischen Kontext für den Regierungschef verwendet (hier dominiert „primeiro-ministro„), wohl aber für den deutschen Bundeskanzler „Chanceler da Alemanha“. Im Portugiesischen bezeichnet chanceler oft einen hohen Regierungsbeamten, in Brasilien den Außenminister („Ministro das Relações Exteriores“ oder „chanceler brasileiro“), umgangssprachlich auch „chanceler“ genannt. In Universitäten kann „chanceler“ den (ehrenamtlichen) Leiter einer Hochschule bezeichnen, ähnlich wie im Deutschen.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Der Begriff „Kanzler“ hat im Deutschen eine klare und spezifische Bedeutung als Regierungschef. In den anderen Sprachen hat der Begriff „Chancellor“, „Chancelier“ und „Cancelliere“ oft andere Konnotationen, die sich auf administrative oder spezifische Rollen in Institutionen beziehen und nicht auf die Rolle eines Regierungschefs. „Kanzler“ ist somit ein historisch gewachsenes Amt, dessen Bezeichnung sich aus der römischen Gerichtspraxis über das mittelalterliche Latein ins Deutsche übertrug.