Rauhnächte, Rauchnächte – was sind das für Nächte?
Keine Wäsche waschen und raushängen, Wünsche auf Zettelchen schreiben, räuchern – es gibt so einiges, was man in den Rauhnächten tun oder lassen sollte. Ständig liest man etwas im Internet, denn die Rauhnächte erleben eine wahre Renaissance in den sozialen Medien. Doch was versteht man darunter? Woher kommt der Begriff?
Es handelt sich dabei um die zwölf Nächte zwischen Weihnachten (E Christmas F Noël I natale P natal) und dem Dreikönigstag, die oft als Zeit des Übergangs, der Magie und der Rituale betrachtet werden. Die Rauhnächte (engl. Rough Nights) sind ein faszinierendes kulturelles und sprachliches Thema mit tiefen Wurzeln in der europäischen Folklore und Mythologie.
Bedeutung und Ursprung des Begriffs „Rauhnächte“
Etymologisch gesehen stammt der Begriff Rauhnächte aus dem Mittelhochdeutschen ruoch oder ruh, was „haarig“ oder „pelzig“ bedeutet. Dies bezieht sich auf die Pelzgewänder der Perchten (mythische Gestalten, die in dieser Zeit umherziehen sollen) oder auf die wilden Geister aus der Anderwelt. Alternativ könnte rauh auch „rauh“ im Sinne von „wild“ oder „stürmisch“ bedeuten, was zu winterlichen Stürmen und unruhigen Nächten passt. Eine dritte Theorie verbindet den Namen mit dem Räuchern (Räuchernächte, engl. Smoky Nights), da in dieser Zeit traditionell Häuser mit Kräutern geräuchert wurden, um böse Geister zu vertreiben.
Rauhnächte in anderen Sprachen
Die Tradition der Rauhnächte ist im germanischen Raum besonders stark ausgeprägt. Dennoch gibt es ähnliche Konzepte in den romanischen Sprachen:
Französisch: Die Rauhnächte gibt es nicht unter einem eigenen Namen. Man könnte les nuits des esprits (Nächte der Geister) oder les nuits de fumigation (Nächte des Räucherns) sagen.
In den Alpenregionen gibt es jedoch viele Bräuche (engl. customs, F coutumes), die mit dem Jahreswechsel und der Vertreibung böser Geister zusammenhängen.
Italienisch: Auch in Italien gibt es keinen eigenen Namen. Eine mögliche Entsprechung wäre le notti magiche (magische Nächte) oder le notti selvagge (wilde Nächte).
Auch hier gibt es in den Alpenregionen und Südtirol Überlieferungen, die an die Rauhnächte erinnern, oft verbunden mit der Befana (einer alten Frau, die um den Dreikönigstag herum böse Geister vertreibt und in Italien den Kindern die Weihnachtsgeschenke bringt).
(Europäisches) Portugiesisch: Es gibt auch im Portugiesischen keine spezifische Bezeichnung für die Rauhnächte. Mögliche Begriffe wären auch hier as noites mágicas (magische Nächte) oder as noites de fumo (Nächte des Räucherns).
Obwohl es in Portugal keine direkte Entsprechung zu den Rauhnächten gibt, gilt aber die Zeit von Weihnachten bis Epiphanie (Dreikönigstag) als spirituell bedeutend. Räuchern als Schutzritual ist eher in alten heidnischen, also vorchristlichen Bräuchen (costumes) bekannt.
Ursprung und Verbreitung der Tradition (F tradition I tradizione P tradição)
Die Rauhnächte haben einen mythologischen Ursprung und stammen aus vorchristlichen, vermutlich germanischen und keltischen Zeiten. Sie markieren den Übergang von der alten zur neuen Zeit und fallen mit dem Julfest (Wintersonnenwende) zusammen, daher in Großbritannien auch oft Yule Nights genannt. In diesen Nächten, so glaubte man, sei die Grenze zwischen der Welt der Lebenden und der Geisterwelt oder Anderwelt besonders dünn oder gar offen. Die zwölf Nächte stehen symbolisch für die zwölf Monate des Jahres. Man glaubte, dass das, was in diesen Nächten geschieht, das kommende Jahr beeinflusst.
Mit der Christianisierung wurden die Rauhnächte in die Weihnachtszeit integriert. Viele Bräuche blieben erhalten, etwa das Räuchern, das im kirchlichen Kontext als Weihrauchritual weitergeführt wurde.
Traditionen, Bräuche, Rituale und Aberglauben
Keine Wäsche aufhängen: Man glaubte, dass aufgehängte Wäsche von Geistern oder der Wilden Jagd (einer Geisterschar) mitgenommen wird oder sie sich darin verfangen. Die Bewegung der Wäsche im Wind sollte Geister sogar anziehen. Früher bestand die Wäsche (aus Bettlaken und -tüchern, Tischtüchern oder Leibwäsche bzw. Unterwäsche und immer war die Farbe weiß. Besonders die weißen Bettlaken oder Tischtücher galten als gefährlich, da sie als Leichentücher benutzt werden konnten. Das heißt, es geht ums Aufhängen von weißen großen Wäschestücken draußen auf einer Wäscheleine und nicht ums Waschen an sich. Waschmaschine und Trockner sind kein Problem.
Das Ritual der 13 Wünsche: Man schreibt 13 Wünsche für das neue Jahr auf kleine Zettel und faltet sie so zusammen, dass man nicht mehr lesen kann, welcher Wunsch auf welchem Zettel steht. Während der Rauhnächte verbrennt man jeden Tag einen davon im Freien (in einer feuerfesten Schale), ohne zu wissen, welchen Wunsch man wann gezogen hat. So überlässt man 12 Wünsche dem Universum. Der 13. Wunsch bleibt am Ende übrig und wird gelesen. Den muss man selbst erfüllen. Dann sollten sich auch die anderen zwölf Wünsche erfüllen.
Ein Licht ans Fenster: Es ist bis heute Tradition, während der Rauhnächte ein Licht (heute natürlich ein künstliches Licht) ans Fenster zu stellen. Es wird von vielen aber auch einfach als Weihnachtsdeko betrachtet. Früher waren die Menschen auf Kerzen (E candle F bougie I candela
P vela) angewiesen, um Licht ins Dunkle zu bringen und sich ihrem Glauben nach vor Geistern und anderen bösen Wesen zu schützen.
Räuchern: Häuser und Ställe wurden mit Weihrauch oder Kräutern wie Beifuß oder Salbei gereinigt. In ländlichen Gegenden Bayerns, Österreichs und der Schweiz praktiziert man heute noch die Tradition des Räucherns von Häusern und Ställen als Schutz für das kommende Jahr.
Orakel: Die Nächte wurden genutzt, um die Zukunft zu deuten, etwa durch Träume, das Gießen von Blei oder die Befragung von Karten und Runen. Historisch belegbare schriftliche Zeugnisse gibt es in Form von Kalenderstäben mit Runenzeichen. Auch das heute beliebte Bleigießen an Silvester (mittlerweile Zinn- oder Wachsgießen) hat also seinen Ursprung in der alten Tradition der Rauhnächte. Für die Traumdeutung während der Raunächte gilt: Jede Nacht steht für einen Monat des nächsten Jahres. Heute noch ist es ein beliebter Brauch, nach dem Aufwachen den Traum
(E dream F rêve I sogno P sonho) zu notieren und im Jahresverlauf zu checken, was eingetroffen ist. Ein besonderes Augenmerk sollte man dabei auf Symbole, wiederkehrende Situationen und Emotionen legen.
Besinnung: Die Nächte galten als Zeit der Stille, Reflexion und Vorbereitung auf das neue Jahr.
Einmal die Räder des Gedankenkarussells abstellen, das tut jedem Menschen gut. Denn in der heutigen Zeit drehen sich die Räder unaufhaltsam. Autos, Maschinen – alles ist immer in Bewegung. Alle Räder abzustellen, wie es der alte Brauch der Rauhnächte fordert, ist unmöglich. Aber wie wäre es, wenn man versucht, das Rad in den Gedanken ruhen zu lassen? Sich in seinem Gedankenkarussell zu verlieren, passiert schnell, äußert sich meist aber negativ: Wir kommen ins Grübeln und überdenken die Dinge anstatt sie einfach anzupacken. Die Rauhnächte können der Zeitpunkt sein, das zu ändern. Achtsamkeitsübungen, Gedanken notieren, To-Do-Listen oder Ziele formulieren, das Führen eines Tagebuchs, Meditation oder Lesen eines Buchs, idealerweise ein Buch wie z.B. „Der stille Pfad – Indianische Weisheitsgeschichten“ von Joseph M. Marshall. Die Geschichten laden geradezu dazu ein, sich zu besinnen.
Man sollte auch versuchen, in den zwölf Nächten bewusst auf eine unangenehme Tätigkeit zu verzichten. Dennoch gibt es Dinge, auf die man auch in den Rauhnächten nicht verzichten kann, sei es der Job oder alltägliche Verpflichtungen wie Wäsche waschen, bügeln oder Fenster putzen. Was auch immer Stress auslöst, sollte man versuchen, sein zu lassen. Für viele ist es, das Handy zur Seite zu legen und nicht ständig erreichbar zu sein.
Vorhersagen: Der Überlieferung nach sagten die Raunächte das Wetter vorher. In Form einer Bauernregel gab das Wetter der ersten Raunacht Aufschluss über das Wetter im ersten Monat, die zweite Nacht auf den zweiten Monat, usw. Jede Rauhnacht steht der Reihe nach für einen der folgenden Monate im Jahr. Bauern glaubten, dass sie so das Wetter für das kommende Jahr voraussagen konnten, d.h. 1. Rauhnacht: Januar, 2. Rauhnacht: Februar, 3. Rauhnacht: März usw.
Gibt es die Rauhnächte heute noch?
Ja, und wie gesagt erleben die Rauhnächte derzeit sogar eine Renaissance. Unsere Vorfahren wollten mit Bräuchen in den Rauhnächten Ruhe in den Alltag bringen und Wünsche, Gedanken und Fragen an höhere Mächte formulieren und (böse) Geister vertreiben. Das können wir auch heute noch.
Viele an Esoterik interessierte Menschen sehen die spirituellen Aspekte der Rauhnächte und nutzen sie für Rituale zur Besinnung, für Räucherungen oder das Ziehen von Orakelkarten oder Runen zur Vorhersage der Zukunft. Andere essen Glückskekse oder zelebrieren Wachsgießen an Silvester, aber in der Regel ohne Hintergrundwissen.
Die Rauhnächte werden oft als Zeit der Selbstreflexion und Zielsetzung für das kommende Jahr genutzt. Die meisten Menschen haben Urlaub und daher Zeit für eine Innenschau oder Besinnung.
Viele übernehmen aber auch Rituale von ihren Vorfahren, so wie auch ich. Ich habe verschiedene Traditionen von meiner Mutter und meinen Tanten übernommen, die es wiederum von ihren Müttern, also meinen Großmüttern gelernt haben. Da ist zuerst einmal die Sache mit der Wäsche.
Ich versuche, nicht zu waschen, aber wenn dann frühmorgens, damit die Wäsche abends von der Leine ist. Und große weiße Tücher habe ich sowieso nicht dabei. Ich stelle eine große Kerze ans Fenster, was sogar mein Vater gemacht hat, als er Witwer war. Ich schreibe kleine Zettelchen mit 13 Wünschen und achte darauf, jeden Morgen einen davon zu verbrennen. Ich bin immer sehr gespannt, welcher übrig bleibt, um den ich mich dann ja persönlich kümmern muss. Ich versuche, entspannende Literatur zur Besinnung zu lesen, siehe Buchempfehlung weiter oben.
Insgesamt gesehen sind die Raunächte eine Zeit, in der Menschen durch verschiedene Bräuche und Rituale versuchen können, sich auf das kommende Jahr vorzubereiten und spirituelle Erfahrungen zu sammeln. Ob man an die magische Bedeutung dieser Tage glaubt oder nicht, die Raunächte bieten eine Gelegenheit zur Reflexion, Besinnung und Neuausrichtung für jeden.